Selbst wenn es aus der Schweiz kommt, hat gekauftes Mineralwasser einen 1.500 Mal größeren CO2-Fußabdruck als Leitungswasser. Wenn es importiert wird, ist der Unterschied noch größer. Aus ökologischer Sicht sollten wir auf die (manchmal sehr exotischen) Wasserflaschen verzichten, die sich in den Supermarktregalen anstellen.
Sie sind schön und bunt, eine kreativer gestaltet als die andere: PET- und Glasflaschen in den Getränkeabteilungen der Supermärkte. Die Herkunftsländer auf den Etiketten sind ebenso vielfältig wie exotisch, und der Inhalt der Flaschen sieht immer gleich aus: durchsichtig. Würde man den Verbrauchern sagen, dass dieses Mineralwasser 3.000 Mal umweltschädlicher ist als Leitungswasser, würden sie die Flasche, die sie gerade in den Einkaufswagen gelegt haben, wahrscheinlich schnell wieder ins Regal stellen – und stattdessen eine leere Wasserkaraffe kaufen. Diese erschreckend hohe Zahl ergibt sich aus der Ökobilanz von Quantis aus dem Jahr 2021. Pro Liter Mineralwasser, der per LKW über eine Strecke von 1.800 km transportiert wird, werden 302 g CO2 ausgestoßen. Im Gegensatz dazu enthält Leitungswasser nur 0,1 g. Sebastian Umber von Quantis, der die Berechnungen durchgeführt hat, hat den gesamten Lebenszyklus von Wasserflaschen berücksichtigt: von der Produktion über den Vertrieb bis hin zum Recycling.
Nahegelegene Quelle
„Wir haben mehrere Szenarien mit unterschiedlichen Entfernungen und Transportarten untersucht. Leitungswasser hatte schon immer die beste Umweltbilanz“, sagt Umbert. Selbst wenn Mineralwasserflaschen nur 100 Kilometer quer durch die Schweiz gefahren werden, ist das Ergebnis ernüchternd: Der CO2-Ausstoß beträgt 154 g pro Liter. Das ist 1.540 Mal mehr als bei Leitungswasser. Unterschiede, die sich aus dem Material der Flaschen, Glas oder PET, ergeben, wurden in der Studie allerdings nicht berücksichtigt. Jedes Szenario basiert auf dem Lebenszyklus einer einzigen PET-Flasche. „Hätten wir bei unseren Berechnungen auch das Flaschenmaterial berücksichtigt, wären die Ergebnisse sicherlich detaillierter ausgefallen“, räumt Umbert ein. Julien Bouchet, Gründer von EA – Environmental Action und Spezialist für Ökodesign, erklärt: „Im Vergleich zu Glas hat die Produktion von Kunststoff eine geringere Umweltbelastung. Auch der Transport ist umweltfreundlicher, weil es leichter ist. Aber Glas hat auch Vorteile. Es lässt sich beispielsweise leichter recyceln und in der Lebensmittelproduktion wiederverwenden, und es ist weniger wahrscheinlich, dass es im Freien steht. „Letztendlich haben Produktion, Transport und Recycling negative Auswirkungen auf die Umwelt, unabhängig von der Verpackung“, sagt Sébastien Umbert. „Aus ökologischer Sicht ist es völlig unsinnig, Mineralwasser zu importieren und zu exportieren“.
In manchen Situationen ist jedoch Pragmatismus angebracht. „Wenn man vier Stunden mit dem Zug unterwegs ist und nicht genug zu trinken dabei hat oder in einer Hütte hoch oben in den Bergen übernachtet, wird man unweigerlich eine Flasche Wasser kaufen“. In solchen Fällen sollten Sie sich für eine möglichst lokale Marke entscheiden. „Aber Vorsicht: ‹lokal› bedeutet nicht unbedingt ‹aus der Schweiz’“, betont Umbert. „Genfer sollten Wasser aus dem benachbarten Frankreich trinken, nicht aus Graubünden“. Die Grundregel ist einfach: Man sollte die geografisch nächstgelegene Quelle wählen. Ein Ökobewerter kann zum Beispiel nicht verstehen, warum viele Restaurants nur importiertes Mineralwasser auf ihre Getränkekarte setzen.
Wenn wir in der Schweiz den Verbrauch von importiertem oder gar inländischem Flaschenwasser reduzieren würden, hätte das eine grosse Wirkung. Würden wir nur noch Leitungswasser konsumieren, bräuchten wir jährlich 790 Millionen PET-Flaschen weniger und unsere CO2-Emissionen würden um 330’000 Tonnen CO2-Äquivalente reduziert. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die der Schweizerische Verein des Gas-, Wärme- und Wasserfaches SVGW in Auftrag gegeben hat. Die Studie zeigte auch, dass ein Mensch ein Leben lang täglich zwei Liter Leitungswasser trinken könnte, ohne die Umwelt mehr zu belasten als eine Autofahrt von Genf nach Cours. Das Trinken von Mineralwasser ist in der Schweiz jedoch sehr beliebt. Laut dem Verband Schweizer Mineralbrunnen und Erfrischungsgetränke trank die Schweizer Bevölkerung im Jahr 2020 fast 940 Millionen Liter Mineralwasser, wovon mehr als 450 Millionen importiert wurden. Der Trend wird sich ab 2019 noch verstärken. Dennoch haben die Schweizerinnen und Schweizer eine hohe Meinung von ihrem Leitungswasser: Laut der SVGW-Umfrage beurteilen neun von zehn Befragten dessen Qualität als „mindestens gut“. Für mehr als die Hälfte der Befragten ist sie sogar „sehr gut“.
Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären – in einer Zeit, in der das Umweltbewusstsein in der Gesellschaft wächst? „Die wachsende Bedeutung von Essen zum Mitnehmen hat Auswirkungen auf den Wasserverbrauch, was leider im Widerspruch zum Umweltbewusstsein steht“, stellt Sebastian Umber fest. Wer zum Mitnehmen isst, bestellt oft auch ein Getränk in Flaschen. Julien Bouchet von Environmental Action fügt hinzu: „Diese Flaschen landen dann regelmäßig im Restmüll, anstatt recycelt zu werden, was ein zusätzliches Umweltproblem darstellt.“
Der Glaseffekt
Wie Umbert – und mit ihm eine wachsende Zahl von Behörden und Verbraucherorganisationen – fordert auch Julien Bouchet die Schweizer Bevölkerung auf, mehr Leitungswasser und weniger Wasser aus Flaschen zu trinken. Er weist jedoch darauf hin, dass das Trinkglas auch einen Umwelteffekt hat. „Wenn Sie Ihr Leitungswasserglas ständig mit heißem Wasser und Seife ausspülen, kommt seine CO2-Bilanz den Emissionen von gekauftem Wasser aus der Flasche erschreckend nahe“. Sein Rat? „Trinken Sie den ganzen Tag über aus demselben Glas und spülen Sie es bei Bedarf mit kaltem Wasser aus. Nur wenn es wirklich schmutzig ist, sollte es gespült werden, am besten nicht mit der Hand, sondern in einem Geschirrspüler, der mit erneuerbarem Strom betrieben wird. Das ist die umweltfreundlichste Variante.“
Was ist der Unterschied zwischen Leitungswasser, Mineralwasser und Quellwasser?
Für Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten ist Leitungswasser das billigste und umweltfreundlichste Trinkwasser. In bestimmten Fällen wird jedoch abgefülltes Wasser bevorzugt, unabhängig davon, ob es sich um natürliches Mineralwasser, Tafelwasser oder Quellwasser handelt. Aber was ist der Unterschied? Mineralwasser ist ganzjähriges Regenwasser, das sich im Laufe der Zeit mit Mineralien aus der Erdkruste angereichert hat. Der Begriff „natürliches Mineralwasser“ darf nur für Wasser aus einer Quelle verwendet werden, die bestimmte Kriterien erfüllt. Die Mineralisierung des Wassers muss stabil sein, das heißt, der Gehalt an Mineralsalzen und Spurenelementen darf nur natürlichen Schwankungen unterliegen. Natürlich muss es auch mikrobiologisch einwandfrei sein und darf nicht chemisch behandelt werden. Tafelwasser hingegen ist Trinkwasser, das mit natürlichem Mineralwasser vermischt oder mit Mineralsalzen angereichert ist. Schließlich enthält Quellwasser im Gegensatz zu Mineralwasser nicht unbedingt eine minimale oder konstante Menge an Mineralien.
Nun könnte man annehmen, dass Leitungswasser weniger Mineralien enthält als Wasser aus der Flasche. Dies ist jedoch nicht unbedingt der Fall. Da der Begriff „natürliches Mineralwasser“ keinen Mindestmineralsalzgehalt vorgibt, bieten einige Marken Wasser mit sehr geringem Mineralgehalt an. Ein Test des Verbrauchermagazins Bon à Savoir aus dem Jahr 2014 ergab, dass Leitungswasser in der Stadt Zürich mehr Kalzium enthielt als vier der 20 meistverkauften Mineralwässer der Schweiz und mehr Magnesium als fünf dieser Mineralwässer. Zur Erinnerung: Mineralien (Kalzium, Magnesium, Natrium, Kalium, Bikarbonate) und Spurenelemente (Fluorid, Selen, Silizium) sind für den Aufbau des Körpergewebes und die Körperfunktionen unerlässlich.
Daher unterscheiden sich die verschiedenen Mineralwässer in ihrem Mineralisierungsgrad. Je nach individuellem Bedarf kann es sinnvoll sein, ein bestimmtes Mineralwasser zu wählen. Mineralhaltiges Wasser sollte jedoch nicht zu regelmäßig getrunken werden. Es lohnt sich, die Zusammensetzung auf dem Etikett zu überprüfen. Übrigens: Kinder und Erwachsene, die keinen Nährstoffmangel haben, sollten in der Regel Wasser mit einem geringen Mineralstoffgehalt trinken, insbesondere um einen Natriumüberschuss zu vermeiden.